Shibori – Japanische Färbekunst mit Geschichte

Bedeutung und Herkunft des Wortes „Shibori“

„Shibori“ (絞り) ist ein japanischer Begriff und bedeutet wörtlich „drücken, pressen, wringen“. Das Wort leitet sich vom Verb „shiboru“ (絞る) ab, was „auswringen“ oder „zusammenpressen“ heißt – und beschreibt damit bereits die Grundidee dieser Färbetechnik: Stoff wird durch Falten, Abbinden, Knoten oder Nähen so manipuliert, dass bestimmte Bereiche keine Farbe aufnehmen.

Im Gegensatz zur modernen Batik ist Shibori ein Sammelbegriff für eine Vielzahl traditioneller japanischer Reservierungstechniken, die gezielt verwendet wurden, um Textilien kunstvoll und dauerhaft zu färben.

Technisch basiert Shibori auf mechanischer Farbreservierung – der Stoff wird durch Abbinden, Falten, Nähen oder Klemmen so bearbeitet, dass bestimmte Bereiche keine Farbe aufnehmen.

Ursprung & Geschichte des japanischen Handwerks

Die Ursprünge von Shibori reichen über 1.300 Jahre zurück. Erste dokumentierte Funde stammen aus dem 8. Jahrhundert in Japan, insbesondere aus der Nara-Zeit (710–794). Damals war es ein Privileg des Adels und des buddhistischen Klerus, aufwendig gefärbte Stoffe zu tragen. Die ältesten erhaltenen Shibori-Stoffe befinden sich heute im Shōsōin-Schatzhaus des Tōdai-ji-Tempels in Nara (Quelle: Victoria and Albert Museum; Yoshiko Iwamoto Wada: Shibori – The Inventive Art of Japanese Shaped Resist Dyeing). Ursprünglich wurde Shibori vor allem auf Seide angewendet, später auch auf Baumwolle. In der Edo-Zeit (1603–1868) war Shibori ein weit verbreitetes Handwerk, vor allem in Regionen wie Arimatsu und Narumi (heute Aichi-Präfektur), wo spezialisierte Handwerksfamilien ihre Techniken über Generationen weitergaben.

Anwendung & Techniken

Shibori umfasst verschiedene Techniken, bei denen Stoff durch mechanische Manipulation teilweise vor der Farbe geschützt wird. Die bekanntesten Methoden sind:

• Kanoko Shibori – punktuelles Abbinden, ähnlich der westlichen Batik

• Arashi Shibori – Umwickeln eines Stoffs um ein Rohr und schräges Abbinden („Sturm-Shibori“)

• Itajime Shibori – Falten des Stoffes und Einspannen zwischen Holzplatten (Falt-Klemmtechnik)

• Kumo Shibori – feines Abbinden von kreisförmigen oder netzartigen Mustern

• Nui Shibori – Reservieren durch Vorstichnähen und anschließendes Zusammenziehen des Fadens

Die Technik bestimmt das spätere Muster – von wolkenartigen Strukturen bis hin zu klar geometrischen Formen. Das mehrfache Eintauchen des Stoffes verstärkt die Farbintensität. Je nach Technik bleibt das Muster weiß auf blauem Grund oder zeigt verschiedene Farbabstufungen.

INDIGO Farbe: Geschichte und Aufbau

Traditionell wird Shibori mit Indigo gefärbt – einem der ältesten pflanzlichen Farbstoffe der Welt. In Japan wird Indigo aus der Pflanze Polygonum tinctorium (Japanischer Färberknöterich) gewonnen.

Indigo ist wasserunlöslich und muss durch einen chemischen Prozess (Fermentation oder Reduktion) in eine lösliche Form (Leuko-Indigo) überführt werden. Erst durch Kontakt mit Sauerstoff beim Herausnehmen aus dem Farbbad entsteht der typische blaue Farbton.

Unterschied zu Batik: Obwohl Shibori im Westen oft als „japanische Batik“ bezeichnet wird, unterscheidet es sich in mehreren zentralen Punkten deutlich von der indonesischen Batiktradition. Während Shibori seinen Ursprung in Japan hat, stammt Batik ursprünglich aus Indonesien, insbesondere von der Insel Java, und ist auch in Teilen Indiens verbreitet. Technisch basiert Shibori auf mechanischer Farbreservierung – der Stoff wird durch Abbinden, Falten, Nähen oder Klemmen so bearbeitet, dass bestimmte Bereiche keine Farbe aufnehmen. Bei Batik hingegen wird flüssiges Wachs gezielt aufgetragen, um bestimmte Partien vor dem Färbebad zu schützen – eine chemische Reservierungsmethode.

Auch bei den verwendeten Farbstoffen gibt es Unterschiede: In der traditionellen Shibori-Färbung kommt fast ausschließlich Indigo zum Einsatz, während Batik eine Vielzahl von – teils synthetischen – Farbtönen nutzt. Die daraus resultierenden Muster unterscheiden sich ebenfalls: Shibori erzeugt eher organische, wellige oder geometrische Formen mit weichen Übergängen, während Batik oft durch klar abgegrenzte Linien und komplexe Motive geprägt ist, die durch das präzise Auftragen des Wachses entstehen.

Vergleichbare Techniken weltweit: Weltweit existieren zahlreiche weitere Färbetechniken, die auf dem Prinzip der Reservierung beruhen und handwerklich mit Shibori verwandt sind. In Indien etwa ist Bandhani verbreitet – eine Technik, bei der Stoff punktuell abgebunden wird, um feine Muster zu erzeugen, meist in Rot-, Gelb- oder Grüntönen. In Indonesien findet man Plangi und Tritik, bei denen der Stoff genäht oder gefaltet wird – ähnlich dem japanischen Nui Shibori.

In Afrika ist vor allem Adire aus Nigeria bekannt: eine Technik der Yoruba, bei der Indigo und resistenzgebende Stärkepasten oder Stickereien zum Einsatz kommen. Die westliche Popkultur brachte mit dem Tie-Dye in den USA eine moderne Interpretation hervor, die mit kräftigen Farben, Spiralformen und oft synthetischen Stoffen arbeitet. Auch Arashi-ähnliche Techniken, bei denen Stoffe diagonal um Rohre gewickelt und gefärbt werden, finden sich in verschiedenen Kulturen, etwa in der westafrikanischen Textilkunst.

Diese Techniken zeigen, wie universell das Prinzip des Reservierens ist – und wie vielfältig die ästhetischen Ausdrucksformen sein können, je nach Kultur, Material und Farbtradition.

Shibori ist mehr als eine Färbetechnik – es ist Teil japanischer Kulturgeschichte, geprägt von Handwerkskunst, Geduld und Materialbewusstsein. Seine ästhetische Wirkung, die Verbindung von Struktur und Farbe, macht es heute besonders beliebt in der DIY-Szene, Textilkunst und nachhaltigen Mode. Die meditative Herangehensweise, die handwerkliche Tiefe und die überraschenden Ergebnisse machen Shibori zu einem zeitlosen Kunsthandwerk – zwischen Tradition und moderner Kreativität.

Quellen: Yoshiko Iwamoto Wada, Shibori: The Inventive Art of Japanese Shaped Resist Dyeing, Kodansha International, 1999 / Victoria and Albert Museum, London – „Shibori & Resist Dyeing“ / Indigo Hands, Japan – Cultural Insight / Textile Research Centre Leiden – Dyeing Techniques / Smithsonian Institution – Natural Dyes and Indigo History

Weiter
Weiter

Linoldruck – Unikate auf Papier & Textil